Schöner leben in Floridsdorf
Der Schlingermarkt im Porträt

Hände halten Nähutensilien
© Böhm

Andrea Gold handelt mit dem Stoff, aus dem die Kleider ihrer Kundschaft sind.

Der feine Zwirn. Wird nicht in Floridsdorf vermutet. Andrea Gold lächelt. Oft sagen Kundinnen und Kunden, die zum ersten Mal ihr gut sortiertes Stoff- und Nähzubehör-Geschäft an der Ecke des Schlingermarkts betreten, staunend:

„So etwas Schönes vermutet man gar nicht in dieser Gegend.“

Fein ist auch: das Gros ihrer Kundschaft kommt wieder. Viele sagen, dass sie sich auf Empfehlung auf den Weg gemacht haben. Deshalb, weiß die Inhaberin der „Stoffecke“, ist die Anzahl jener, die nicht ums Eck wohnen, in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Reden ist Silber, Stoff ist Gold. „Fürs eigene Designerkleid, für schnuckelige Kindermode, das Hundemanterl, das Brautkleid oder die Kleiderschürze, wir haben für alle etwas“, erklärt Frau Gold. Selbstverständlich auch Nadel und Zwirn, Knopf und Zippverschluss, in allen Farben und Größen. Wichtig ist ihr auch die persönliche Beratung. Andrea Gold sucht das Gespräch mit ihrer Kundschaft:

„Weil Menschen, die nähen, kreativ und voller Freude sind.“

Personal Stoffecke
© Böhm

Kreativ sind nicht nur jene, die etwas Neues schaffen, sondern auch jene, die das Loch in der Hose ihres Lausbubensohns flicken, ein Kleid enger oder weiter machen oder einen Rock kürzen. Andrea Gold betont: „Es gibt keine lästigen Kunden. Von uns werden alle mit Achtung bedient.“ Schön ist für sie: „Wenn die Freundin einer Kundschaft zu uns ins Geschäft kommt und sagt, sie hat gehört, dass man hier gut beraten wird.“

Ihr selbst wurden die Stoffe quasi in die Wiege gelegt: „Meine Mutter hat vor fünfzig Jahren mit zwei Markttischen auf dem Vorgartenmarkt begonnen. Und sie hat nie daran gezweifelt, dass meine Schwester und ich etwas anderes machen.“ Die 56-jährige Unternehmerin lächelt. Ihre um zehn Jahre jüngere Schwester führt heute das Geschäft ihrer Mutter im zweiten Bezirk weiter.

Auf dem Schlingermarkt scheint sich für sie ein Kreis zu schließen:

„Ich bin da gerne. Das ist schon ein Stück Heimat für mich.“ Und: „Meine Tochter Anja möchte hier weiter machen.“

Jugendliche Zweifel? Nein, Anja nickt ihrer Mutter selbstbewusst zu, und es wirkt ganz so, als wäre das auch ihr Wunsch.

Den Markt vor ihrer Eingangstür schätzt Frau Gold sehr. Immerhin hat die Stoffhändlerin hier vor dreißig Jahren ihr erstes Geschäft eröffnet und ist auch in schlechten Zeiten nie von hier weggegangen. Seit zwei, drei Jahren geht es stetig bergauf. Und so kann Andrea Gold heute wieder fünf Damen Arbeit geben. Dass alle fünf im reiferen Alter sind, hat auch einen sozialen Aspekt. Die Devise der Chefin lautet: „Durch ein Nadelöhr ja, aber zum alten Eisen, das gibt es bei uns nicht."

Die Versuche der Politik, den Markt zu erhalten, begrüßt die Frau, die mit ihrem Geschäft eine gute Adresse in Floridsdorf geschaffen hat:

„Der Markt ist etwas typisch Wienerisches. Hier gibt es noch etwas, was in den Einkaufszentren leider verloren gegangen ist: dass sich die Menschen Zeit nehmen und miteinander reden.“

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