Pikanterie am Rande
Der Schlingermarkt im Porträt

Hände verstreuen Gewürze
© Böhm

Wolfgang Friedl ist Floridsdorfs Gewürzhändler. Er bietet unter anderem 19 Pfeffersorten an.

Sorgsam mischt er heute wieder einmal verschiedene Kräuter unter sein Salz. Weil an diesem Nachmittag die Kundschaft auf dem Schlingermarkt weitgehend ausbleibt, kann er sich im Bauch seines Ladens voll auf seine Leidenschaft konzentrieren: „Die Suche nach dem bestmöglichen Aroma.“

„Ich bin der einzige Gewürzhändler links der Donau.“

Besitzer Ben Condito Gewürzmanufaktur vor seinem Geschäft
© Jakob Böhm

Mit den Gewürzen ist es wie mit den Büchern am Spitz: es gibt im Flächenbezirk Floridsdorf so gut wie keine Konkurrenz. „Ich bin der einzige Gewürzhändler links der Donau“, sagt Wolfgang Friedl. Dabei ist der gelernte Koch keiner, der als Marktrufer Talent hat. Er lässt lieber seine Taten und die Fakten für sich sprechen. Und seine Stammkunden, denen das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn sie sein Gassenlokal im Schlingerhof betreten oder auch nur „Ben Condito“ sagen. Den Geschäftsnamen hat Friedl dem Italienischen entlehnt: „Das bedeutet so viel wie gut gewürzt.“

Floridsdorf, Florida, Florenz: Floridsdorf ist nicht dort, wo der Pfeffer wächst, wie noch immer viele in Wien meinen. Floridsdorf ist vielmehr dort, wo guter Pfeffer gehandelt wird. Wolfgang Friedl verkauft in seinem Laden nicht weniger als 19 Sorten: vom Andalimanpfeffer (dank seines Zitronenaromas eine Option für Fisch und Geflügel) bis zum deutlich pikanteren Voatsiperifery. In seiner intensiv duftenden Manufaktur neben dem Markt offeriert Friedl auch verschiedene Salz- und Zuckersorten, ferner Curry, Paprika, Chilli, Ingwer und selbst komponierte Gewürz-Mischungen.

Der Gewürzhändler hat seine Berufung gefunden. Er war nach der Koch-Kellner-Lehre Schaffner bei der Bahn, Bademeister in transdanubischen Bädern, Briefträger bei der Post sowie Computerprogrammierer. Doch seine Passion gehörte in all den Jahren immer dem guten Essen, und sein Interesse den Ingredienzien und den Gewürzen.

„Begonnen habe ich mit einem Online-Handel im aufgelassenen Kinderzimmer unserer Floridsdorfer Wohnung“, erzählt der Spätberufene. Weil er seine Gewürze bald auch nach Deutschland, England und Frankreich verkaufen konnte und im Zimmer kaum noch Platz war, verlegte er sein Lager und seinen Shop vor zwei Jahren auf den Schlingermarkt.

Der Markt ist ihm mehr als nur vertraut: „Ich bin ein Kind des Gemeindebaus. Ich bin hier im Schlingerhof aufgewachsen.“

Auf der Stiege 21, um es genau zu sagen. Die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend sind durchwegs positiv. Die Nachbarn waren sehr sympathisch, eine Nachbarin sogar noch mehr als das: „Sie ist bis heute meine Frau.“ Freuen würde es ihn, wenn auch der Markt wieder so viel zu bieten hätte wie in seiner Erinnerung, wenn er wieder mehr frequentiert würde. „Meinen Teil versuche ich dazu beizutragen.“

Was auch bemerkenswert ist: Anders als manche Wein-Sommeliers, die gerne das Gras im Mund wachsen hören und eine Art Lyrik auf der Zunge tragen, wenn sie über dieses oder jenes Aroma schwadronieren, hält sich der Gewürzhändler in der Beratung mit schmückenden Adjektiven zurück. Er plädiert für mehr Sachlichkeit in der Kulinarik:

„Natürlich kann ich den Leuten das Blaue vom Himmel versprechen, aber am Ende muss es ihnen schmecken.“

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