Von einem alten Zuhause
und neuen Entwicklungen
Thomas Herzig ist im 16. Wiener Bezirk aufgewachsen und seit zwanzig Jahren Jugendtrainer beim WSK, dem Wiener Sportklub. Für die erste Ausgabe unserer Nachbarschaftszeitung LiebBlatt hat Bloggerin Julia Koch mit Thomas Herzig über seine Kindheit in Ottakring, Fußball und Zusammenhalt gesprochen.
Thomas Herzig betreut derzeit die U7 und die U11, eine Gruppe quirliger kleiner Fußballspieler unter sieben und eine Gruppe Burschen unter elf Jahren.
Julia: Haben Sie in diesem Alter auch Fußball gespielt?
Herzig: Ich hab mit neun Jahren in Penzing angefangen und bin mit Vierzehn zum Wiener Sportklub gewechselt.
Julia: Was ist eine Ihrer schönsten Kindheitserinnerungen im Grätzel mit dem Ball?
Herzig: Das Aufwachsen im Sechzehnten war schon was Besonderes. Es war viel ruhiger als heute und man hat mehr Grünflächen gehabt. Inzwischen ist der Verkehr mehr geworden und es sind auch mehr Nationalitäten dazu gekommen, was nicht immer so reibungslos abläuft wie früher. Früher waren wir ab Nachmittag bis um zehn auf’d Nacht im Park, im Käfig oder am Sportplatz. Wir haben als Kind halt auch keine Playstation g’habt oder Computer oder sonst was. Wir haben nur das runde Leder g’habt. Mit neunzehn Jahren hab ich dann angefangen auch Kinder zu betreuen. Ich musste früh aufhören selber zu spielen wegen Verletzungen am Knie aber es hat mir immer gefallen und Spaß g’macht mit den Kindern zu arbeiten.
Julia: Bestehen die Mannschaften heute nur aus Buben oder gibt es auch Mädels?
Herzig: Momentan haben wir beim Nachwuchs drei Mädchen. Da sieht man derzeit keinen Unterschied zu den Burschen. Also die sind ziemlich brav.
Kurz stelle ich mir drei Mädchen in rosaroten, sauberen Kleidchen, weißen Kniestrümpfen und geputzten Lackschuhen auf dem Rasen vor, die niemals ihre Ellbogen einsetzen oder den Schiedsrichter beschimpfen würden. Aber mit brav meint Trainer Herzig in diesem Zusammenhang etwas anderes. Anerkennend nickt er und scheint selbst ein wenig über die Tatsache zu staunen, dass die Mädchen den Burschen am Feld in nichts nachstehen.
Julia: Was war als Kind Ihre Lieblingsspeise?
Herzig: Das war der berühmte Kaiserschmarren oder die Palatschinken von meiner Oma. Mit Marmelade oder Topfencreme gefüllt. Des vergisst man ned.
Julia: Hatten Sie auch einen Lieblingsspieler und eine Lieblingsmannschaft?
Herzig: Das war damals natürlich der Herbert Prohaska und Rapid. Und Rapid ist heute auch noch meine Mannschaft.
Julia: Und die Lieblingsspeise – hat sich die verändert?
Herzig: Na, meine Lieblingsspeise ist auch gleich geblieben. Und ich muss sagen, ich koche auch sehr gerne. Ich mach mir meinen Kaiserschmarren und die Palatschinken nach dem Rezept von der Oma. Das passt immer noch.
Julia: Sie haben einen Sohn. Spielt er auch Fußball?
Herzig: Der spielt Wasserball.
Julia: Was braucht die Familie und was braucht ein schönes Zuhause für Sie?
Herzig: Mein Sohn und ich gehen z. B. sehr gerne fischen. Oder wir schauen uns gemeinsam Dokumentarfilme an. Das liebt er. Und ab und zu – aber nicht oft – spiel ich auch Playstation mit ihm. Man kann einem Kind das heutzutage gar nicht verwehren, weil jeder eine hat. Aber ich förder das nicht.
Julia: Und was für Qualitäten braucht eine gute Mannschaft?
Herzig: Die Zusammengehörigkeit. Man kann viele gute Fußballer haben, aber wenn die kein Team sind, bringt das nichts. Das Kollektiv macht eine Mannschaft erst aus.
Julia: Wie wird ein Kind zum Teamspieler?
Herzig: Da muss natürlich der Trainer dazu schauen. Wichtig sind auch die Eltern. Wenn die bei einem fünf- oder sechsjährigen Kind schon glauben, sie haben einen Messi zuhause sitzen, macht das zu viel Druck. Da sind wir als Trainer dafür da, den Eltern zu sagen, die Kinder sind erst fünf Jahre alt, das kann man noch nicht sagen. Das kann man auch nicht, wenn das Kind dreizehn oder vierzehn ist. Ich kenne viele super Spieler, die dann aufgehört haben wegen dem Job oder weil sie dann eine Freundin hatten oder so. Da gibt es viele Faktoren. Und der Druck der Eltern hilft auf alle Fälle nicht. Mit zu viel Druck verliert ein Kind sehr schnell die Freude. Die Kinder lernen was, und das Wichtigste dabei ist, dass sie Spaß daran haben. Die sollen sich auf den Trainer freuen, auf das Umfeld und die Kollegen.
Julia: Wie vermittelt man als Trainer einem Kind, dass der Zusammenhalt wichtig ist?
"Der Wiener Sportklub ist ja dafür berühmt, dass er sehr viele Nationalitäten hat. Das Integrieren geht beim Fußball sehr schnell."
Herzig: Der Wiener Sportklub ist ja dafür berühmt, dass er sehr viele Nationalitäten hat. Das Integrieren geht beim Fußball sehr schnell. Und wir versuchen da auch sozial zu arbeiten, z. B. Kinder von der Straße oder dem Park wegzuholen oder wir helfen Kindern, die eher sozialschwach sind. Klar gibt es immer wieder Reibereien, wir haben ja nicht nur brave Kinder und außerdem viele, die in der Pubertät sind, da kommt das schon vor. Aber wenn man kurz mit den Kindern oder Jugendlichen spricht, dann ist das in zwei Minuten g’essen.
Julia: Haben Sie das Gefühl, dass sich das Zusammenspielen am Fußballplatz vom Sport in die Gemeinschaft im Alltag übertragen lässt?
Herzig: Ich glaub schon, dass es förderlich ist. Wir haben auch Flüchtlingskinder hier und man muss sagen, die sind eher verschreckt hier hergekommen und die erleben wir jetzt schon ganz anders. Wir unterstützen sie auch, kaufen Fußballschuhe oder so und helfen, wenn wir helfen können. Im Sportverein funktioniert das wirklich gut – vielleicht besser als in der Schule manchmal. Ich glaub, dass die Integration hier schneller vonstattengeht. Wir sehen das hier jedenfalls.
Julia: Was für Hoffnungen setzen sie in die kommende Generation?
Herzig: Wenn ich an die Zukunft meines Sohnes denke, bei dem was alles rundherum grad passiert, da ist schon ein bisschen Angst dabei, wenn ich mir das vorstelle.
Julia: Was würden Sie den Kindern und Jugendlichen raten?
Herzig: Dass sie einen Konflikt ohne Waffen lösen. Dass man sich ausspricht.
Julia: Und was wünschen Sie sich für sich selber?
Herzig: Gesund bleiben. Dass es mit der Familie passt. Und dass auf der Welt ein Frieden ist.