Ratschläge eines Hauseigentümers
zum Energieumstieg im Altbau

Um das Ziel der Klimaneutralität 2040 zu erreichen, müssen noch viele Häuser energetisch umgerüstet werden. Welche Herausforderung ein solches Vorhaben für den Wiener Althausbestand birgt, welche Möglichkeiten es dafür gibt und wie so ein Prozess idealerweise ablaufen sollte, erzählen uns Hauseigentümer Mag. Gehbauer und Architekt Dipl.-Ing. Klerings anhand des „100 Projekte Raus aus Gas“-Vorzeigehauses Hirschengasse 17.
Mag. Gehbauer und Architekt Dipl.-Ing. Klerings im Interview
Was hat Sie zum Energieumstieg in der Hirschengasse motiviert?
Gehbauer: Wir hatten schon länger geplant, das Haus zu sanieren und zu erweitern. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um auch hinsichtlich der Energieversorgung an die Zukunft zu denken, denn es ist sowohl meine persönliche Überzeugung als auch unsere Unternehmensphilosophie, erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle in der zukünftigen Energieversorgung unserer Häuser einzuräumen.
Für welche Energieformen haben Sie sich entschieden und warum?
Klerings: Fernwärme war damals am Standort noch nicht verfügbar. Wir entschieden uns, die Heizung und Warmwasseraufbereitung der neu zu schaffenden Wohnungen über drei Wärmepumpen am Dach zu realisieren. Alle Bestandswohnungen ebenfalls zu versorgen, war jedoch aus Platzgründen nicht möglich, aktuell werden daher nur acht Wohnungen versorgt. Für die Bestandswohnungen wurde allerdings jetzt die Möglichkeit vorgesehen, zu einem späteren Zeitpunkt an die Fernwärme anschließen zu können. Dafür wurde die Leitungsführung und ein entsprechender Raum vorbereitet.
Steckbrief | Personen
KommR Mag. Michael Gehbauer
- Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte
- Geschäftsführer der Privatstiftung zur Unterstützung und Bildung von ArbeitnehmerInnen
Architekt Dipl.-Ing. Wolf Klerings
Wie lange hat die Baustelle gedauert und was hat das für Ihre Mieter*innen bedeutet?
Gehbauer: Unglücklicherweise hat sich in diesem Fall die Bauzeit durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verzögert, was unsere Mieter*innen zusätzliche Geduld gekostet hat. Umso erfreulicher war ihre große Vorfreude auf das sanierte Haus, wodurch sie die Zusatzbelastungen in Kauf genommen haben. Uns war es wichtig, vor und während des Sanierungsprozesses alle Mieter*innen gut zu informieren und zu begleiten. Dadurch hatten wir immer ein gutes Einvernehmen. Niemand wurde zur Umstellung gezwungen. Nun kann jeder selbst entscheiden, wann er umsteigen will, und hat die Sicherheit, dass die tatsächliche Umstellung dann geordnet und zügig mit einem minimalen Aufwand vonstattengehen wird.
Welches Feedback haben Sie nach der Umstellung von Ihren Mieter*innen bekommen?
Gehbauer: Natürlich hatten die Mieter*innen neben der Möglichkeit des Energieumstiegs auch andere Vorteile durch den Sanierungsprozess, denn wir haben einen Aufzug installiert, ihre Wohnungen nachträglich mit Balkonen ausgestattet und den Innenhof entsiegelt und begrünt. So hat sich die Lebensqualität noch erhöht und wir haben das Feedback erhalten, dass die Bewohner*innen diese Maßnahmen zu schätzen wissen und sich wohlfühlen. Am glücklichsten sind unsere Mieter*innen allerdings mit der die Tatsache, dass sich an der Höhe ihrer Miete nichts verändert hat, sondern sie im Gegenteil Einsparungen bei den Heizkosten haben.
Wie viele andere Bestandsobjekte haben Sie umgestellt?
Gehbauer: Inzwischen planen wir bereits die energetische Umrüstung von drei weiteren Bestandshäusern. Neubauprojekte werden ohnehin auf dem neuesten Stand der Technik mit ambitionierten Energiekonzepten umgesetzt.
Wie sieht die Situation generell bei Gründerzeithäusern aus – welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Klerings: Gründerzeithäuser stellen aus mehreren Gründen sowohl für eine Sanierung als auch eine energetische Umrüstung eine Herausforderung dar. Die Dichte der Gebäudehülle und der benötigte Platz zur Aufstellung neuer technischer Anlagen sowie der Leitungsführung begrenzen die Möglichkeiten. Die Enge lässt auch oftmals keine Bohrungen für Tiefensonden zu, manchmal braucht es einfach Mischlösungen. Auch die Mieter*innen stehen einer Baustelle im Haus und gar ihrer eigenen Wohnung oft kritisch gegenüber.
„Immer über aktuelle technische Möglichkeiten und Förderungen informiert bleiben und Projekte individuell angehen.“
Mag. Michael Gehbauer
Gibt es lokale Dienstleister*innen, die bei der Planung, Umsetzung und Wartung eines erneuerbaren Energieprojekts unterstützen?
Die Stadt Wien hat hier mit der Hauskunft eine gute Erstinformationsstelle geschaffen, um eine individuelle Beratung bieten zu können und auch dem Wohnfonds und der Gebietsbetreuung Stadterneuerung kommt eine wichtige Informationsfunktion zu. Selbstverständlich ist auch die Wien Energie eine gute Anlaufstelle.
Welchen Rat können Sie anderen Immobilieneigentümer*innen mit auf den Weg geben?
Der wichtigste Rat, den ich geben kann, ist, sich immer über die aktuellen technischen Entwicklungen und Fördermöglichkeiten gut informiert zu halten und das umzurüstende Haus individuell zu betrachten. Die Idee der Stadt Wien, 100 Projekte zum Thema „Raus aus Gas“ zu präsentieren ist gut, weil die Chance groß ist, darunter ein Erfolgsbeispiel zu finden, das dem eigenen Haus bzw. der eigenen Sanierungssituation entspricht. Man kann dadurch ein Gefühl dafür bekommen, welche Möglichkeiten beim eigenen Objekt vorhanden sind und was nicht funktionieren kann. Außerdem ist ein Erfahrungsaustausch immer wichtig.
Neugierig geworden?
Kontaktieren Sie uns.
Schreiben Sie uns eine E-Mail an suedwest@gbstern.at oder
rufen Sie uns an 01 893 66 57.