Sanierung der Werkbundsiedlung
Erkundungstour in Hietzing

Die 70 Häuser der Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing wurden 1932 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – als Musterbeispiel für "das Neue Wohnen".


Der vierte Stopp unserer Veranstaltungsreihe „Wohnbares Wien“ führte uns nach Hietzing. Hier erkundeten wir die Werkbundsiedlung und gingen der Frage nach, wie Baudenkmäler erhalten, nachhaltig saniert und klimafitter gemacht werden können. Zahlreiche interessierte Teilnehmer*innen nutzten die Gelegenheit, bei unserer Wohntour spannende Einblicke und Hintergründe von Expert*innen und einer Bewohnerin zu erfahren.

Die Wiener Werkbundsiedlung

© GB*/Dutkowski

Die Häuser der Wiener Werkbundsiedlung gelten als eine der bedeutendsten Dokumente der Moderne in Österreich. 1932 als Mustersiedlung von damals aufstrebenden Architekten und einer Architektin aus dem In- und Ausland unter der Leitung von Josef Frank geplant, steht die Siedlung mit ihren 64 Einfamilienhäusern unter Denkmalschutz und befindet sich zum Großteil im Eigentum der Stadt Wien.

Wie Bestandsgebäude im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst lange erhalten und genutzt werden können und auf welche Herausforderungen man bei der thermischen Sanierung von Baudenkmälern trifft, das erfuhren wir vor Ort aus erster Hand.

„Kommt man einmal mit der Werkbundsiedlung in Berührung, lässt sie einem nicht mehr los.“

So beschreibt es Mag. Josef Wiesinger, Geschäftsführer der WISEG, die seit dem Jahr 2011 die Werkbundsiedlung verwaltet, betreut und für die Erhaltung sorgt. Die WISEG leitet auch das Sanierungsprojekt Werkbundsiedlung, welches in mehreren Phasen erfolgt und nun mit den letzten vier Objekten in die finale Phase startet. „Nach der Sanierung ist vor der Sanierung“, meint Herr Wiesinger, denn ein solches Baujuwel benötigt regelmäßige Servicierungen, wie etwa die Wartung der Fenster. In engem Austausch mit Fachkonsulent*innen, Bundesdenkmalamt, Architektur und Bewohner*innen wird angestrebt, dass der qualitativ hochwertige Bauzustand auch nach erfolgter Sanierung auf Dauer erhalten werden kann.

Wohnen im Denkmal

© GB*/Dutkowski

Ein Highlight war die Besichtigung eines der vier sanierten Reihenhäuser des holländischen Architekten G. Rietveld. Eine Bewohnerin, Architektin Silja, gewährte uns einen exklusiven Blick ins Innere des Hauses, das sie mit Fingerspitzengefühl saniert und gestaltet hat. Trotz seiner nach außen hin kompakten Form wirkt das Innere überraschend großzügig. Die drei Wohn-Ebenen, die als „Split Level“ rund um die steile Treppe aufgeteilt sind, bieten auf 2 Seiten einen Ausblick ins Freie oder haben sogar direkt angrenzende Freibereiche (Garten, Balkone). „Der schattenspendende Nussbaum im Garten mit seinen fast 100 Jahren liegt mir besonders am Herzen“, meint die Architektin.

Zusätzliche zur Sanierung wurden vollkommen unauffällig gläserne Photovoltaik Elemente auf dem Dach und dem Nebengebäude installiert und ein Speicher im Keller platziert. „So kann ich meinen eigenen Strom produzieren, und davon sogar weit mehr, als zu Beginn angenommen“, erzählt Frau Tillner. Man merkt, dass es etwas Besonderes ist, hier zu wohnen und viel Herzblut mit Liebe zum Detail in dieses Projekt geflossen ist.

Häuser, die leben und atmen

© GB*/Dutkowski

Von Architektin Azita Praschl-Goodarzi von Praschl-Goodarzi Architekten ZT-GmbH erhielten wir Einblicke in den Prozess der umfassenden Sanierung, die von der Stadt Wien gefördert wurde.

Ein professionelles, gut abgestimmtes Sanierungskonzept zu erstellen war dabei unablässig. Dafür braucht es ein engagiertes Expert*innenteam und eine enge Zusammenarbeit mit Behörden, dem Denkmalamt und entsprechend sorgsame Handwerker. „Wir arbeiten teilweise wie die Forensiker von „CSI“, jedes Gebäude wird sorgfältig untersucht, um die Substanz bestmöglich zu ergründen“, berichtet die Architektin, „Die Gebäude werden nie einem Neubau gleichen, sie behalten ihren einzigartigen Charakter mit Spuren ihrer Nutzung.“

Um die thermische Qualität zu verbessern und zeitgemäßen Wohnkomfort zu erzielen, entwickelte das Planungsteam rund um Praschl-Goodarzi Architekten ZT-GmbH eine Reihe von kombinierten Maßnahmen, die auch ohne Wärmedämmung der Fassaden eine Reduktion der Heizkosten zwischen 30 % und 50 % ermöglichen.

So kann das „Einpacken“ der Baudenkmäler mit Wärmedämmung vermieden werden - denn das hätte ihren typischen Charakter stark verändert und das Erscheinungsbild beeinflusst.

Am Ende unserer Wohntour konnten wir zwei bisher unsanierte Häuser fast im Urzustand besichtigen, eines geplant von Josef Hoffmann, das andere von Anton Brenner, das rund um einen kleinen „Patio“ erbaut wurde. Die zeitgemäße Adaptierung steht kurz vor Beginn.

Beim anschließenden gemütlichen Ausklang an der Wohnbar gab es bei Snacks und Getränken Gelegenheit, Fragen an die Expert*innen zu stellen sowie zum anregenden Plaudern und Vernetzen.

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