„Die Leute freuen sich, wenn sie was über Natur lernen können.“
Garteln am Migazziplatz
„Schau, da fliegt eine Dolchwespe!“ Wenn Biologe Florian Etl über die Biodiversität spricht, kann nur die Sichtung eines Insekts seine Euphorie unterbrechen. Ob Frühlingspelzbiene, Maskenbiene oder Distelfink – am Migazziplatz in Meidling wächst eine kleine Oase für Wildtiere. Florian Etl und seine Kolleg*innen Rafaela Stern und Jakob Brejcha haben hier über 200 kleine Pflanzenindividuen gesetzt.
„Jedes Mal, wenn man vorbeigeht, sieht man was Neues. Ich erfreue mich an diesem Naturfleck und ich hoffe, dass es die meisten auch so sehen, dass das Beet ein bisschen Farbe und Bewegung ins Leben bringt“, so Florian Etl.
„Wir haben durch die paar Aktionen Leben reingebracht.“
Seit letztem Jahr sorgen verschiedene Distelarten, Fenchel, Salbei oder Natternkopf für mehr Biodiversität im Grätzl. „Wenn Disteln blühen, sind sie ein Paradies für Insekten und Stieglitze“, erzählt der Biologe und ergänzt, dass Disteln zu Unrecht oft als Unkraut gesehen werden. „Unser Ziel ist es, die Artenvielfalt zu fördern und auch heimische Wildpflanzen, die einwandern, zuzulassen.“ Entfernt werden nur Exoten wie der Götterbaum oder der Stechapfel.
Für mehr Biodiversität im Grätzl
Begonnen hat dabei alles im Frühsommer vergangenen Jahres, als der Biologe die leerstehende Fläche am Migazziplatz entdeckt. Seitdem hat sich viel getan, mit dem klaren Ziel, die Biodiversität zu steigern. In der Praxis bedeutet das: Je Mehr Wildpflanzen vorhanden sind, desto mehr Insekten und Vögel siedeln sich an und desto reicher ist die Artenvielfalt.
„Es ist schön, wenn man das fördern kann, Natur fördern kann“, erzählt der Biologe über seine Motivation
„Die Stadt ist ein Refugium für Wildtiere geworden."
Seit letztem Jahr wurde gegraben, gepflanzt und stetig beobachtet, was sich im Beet tut. Das alleinige Werkeln im Beet reicht den motivierten Biolog*innen aber nicht. Das Projekt wird wissenschaftlichbegleitet und dokumentiert. Die Euphorie für sein Fach, die man bei Florian Etl in jedem Wort spürt, kann und will er nicht für sich behalten und teilt sein Wissen in Biodiversitäts-Spaziergängen mit der Nachbarschaft.
Diese bleibt immer wieder interessiert stehen und erfreut sich am wilden Tun im Beet. Da kann es auch schon mal passieren, dass Floran Etl kurzerhand ein Hummelmännchen fängt und die Besucher*innen streicheln lässt. „Es ist besonders schön, wenn man sieht, wie Kinder das Wissen aufnehmen. Beim nächsten Mal kommen sie und erklären mir dann, wie die Pflanzen heißen“, berichtet der Biologe lächelnd.
Doch auf Erwachsene lassen sich von der Begeisterung anstecken. Auch Nachbar Orhan, der von seinem Balkon nicht nur den perfekten Blick auf das Beet hat, sondern auch mit Wassermelone vorbeikommt und genauso aus dem Häuschen ist, wenn eine Holzbiene gesichtet wird. Schilder informieren zudem Passant*innen, was sich im Beet tut und wer sich hier tummelt.
Nachhaltige Oase mit Nahrungsangebot
Das Spannende: Die Beete wurden nach dem Einsetzen der Pflanzen einmal gegossen und dann nicht mehr. Dabei war es dem Team schon in der Planung wichtig, hauptsächlich in der Gegend natürlich vorkommende Pflanzenarten zu setzen, die an Trockenheit angepasst und Nahrungspflanzen für Insekten sind.
Dass diese Oase auch nachhaltig bleibt, dafür werden er und sein Team auch im kommenden Jahr sorgen. Vorarbeit wird dafür schon jetzt geleistet: Damit Schmetterlinge ihren Lebenszyklus beenden können, bleibt ein Teil der Pflanzen bis in den nächsten Sommer stehen, damit die Raupen und Puppen an den Pflanzenstängeln überwintern können. Auch auch spezielle Wildbienen und Grabwespen suchen im Winter in den Stängeln Unterschlupf und die daran hängenden Samen der Pflanzen dienen als Nahrung für Vögel in der kalten Jahreszeit.
Tipp vom Biologen
Wer auch seinen Beitrag für mehr Biodiversität leisten will, für den hat der Biologe einen Tipp: Blühende Kräuter setzen, selbst Samen sammeln und beobachten was aufkommt, oder ein Wildbienenhotel gestalten:
„Alles, wo man etwas Wildes aufkommen lässt und sieht, dass eine Biene vorbeikommt, sollte man stehen lassen, weil dann noch mehr Bienen kommen. So einfach kann man die Biodiversität fördern.“