Veränderung begleiten
„Wandel funktioniert, wenn Akzeptanz dafür da ist.“

Dort, wo Neues entsteht, sind die GB* frühzeitig vor Ort und informieren über geplante Entwicklungen. So auch in Liesing, wo in Atzgersdorf und "In der Wiesen" neue Stadtteile entstehen. 2018 wurde vor Ort in der Scherbangasse ein neues Stadtteilmanagement eröffnet.

Einer Ihrer Grundsätze lautet: „Wandel kann nur funktionieren, wenn auch die Akzeptanz dafür da ist.“ Stadterneuerung hat viel mit Veränderung zu tun. Eine wichtige Aufgabe der GB* ist es, Menschen über Entwicklungen im Stadtteil zu informieren und an geplanten Veränderungen teilhaben zu lassen. Wie gelingt es, Menschen frühzeitig ins Boot zu holen und Ihnen die Angst vor Veränderungen zu nehmen?

Die Angst vor Veränderungen ist eng mit dem Gefühl verknüpft, unvorbereitet vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, gerade, wenn es um Veränderungen geht, die den eigenen Lebensbereich betreffen.

Um diese Verunsicherung zu vermeiden, sind zeitgerechte niederschwellige Informationsformate gefragt, die den Menschen auch die Möglichkeit bieten, ihre Meinung zu sagen und eigene Ideen einzubringen.

In den letzten Jahren haben die Gebietsbetreuungen in Zusammenarbeit mit ihren Auftraggeber*innen und den Bezirken gezeigt, wie viele kreative Wege es gibt, mit den Menschen, die in der Stadt leben und arbeiten in Kontakt zu treten. Nicht nur persönlich, wie etwa durch Veranstaltungen vor Ort oder Ausstellungen im Straßenraum, sondern auch durch Infos auf der Website, oder durch die Einrichtung von Informationsplattformen wie „Frag die GB*“.

Wichtig erscheint es mir vor allem, fallbezogen die richtige Vorgehensweise zu erarbeiten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Gebietsbetreuungen Stadterneuerung auch weiterhin mit den Entscheidungsträger*innen kreative Lösungen für gezielte Informationen finden werden, wenn sie zeitgerecht in die dafür erforderlichen Prozesse eingebunden sind.  


Gender Mainstreaming ist Ihnen ebenfalls wichtig und darauf haben Sie in Ihrer Arbeit immer großen Wert gelegt. Welchen Mehrwert bietet gendergerechte Planung, auf was ist zu achten und welche Strategien braucht es Ihrer Meinung und Erfahrung nach?

Solange die Themen des Gender Mainstreamings im Anforderungskatalog der Stadterneuerung noch nicht zur Gänze aufgearbeitet sind, werden sie die Tätigkeit der Gebietsbetreuung Stadterneuerung begleiten. Manchmal sieht es so aus, als könnte das noch dauern, weil Genderfragen auf vielen Ebenen noch heftig diskutiert werden. Ehrlich gesagt, hier ist meiner Meinung nach vor allem Hartnäckigkeit und die Präsentation guter Beispiele gefragt. 


Auch Barrierefreiheit war Ihnen als Architektin ein großes Anliegen. Wie hat sich Wien hier entwickelt? Was fehlt bzw. was gibt es aus Ihrer Sicht hier noch zu tun?

Als ich in den 80-er Jahren als Mutter eines Kleinkindes in Wien mit dem Kinderwagen unterwegs war, wurde mir erstmals bewusst, wie sich damals ein Leben mit Behinderungen aller Art auf die  Lebensqualität Betroffener ausgewirkt haben muss: Keine Gehsteigabsenkungen, schmale Gehsteige, keine Aufzüge in U-Bahnstationen, keine Möglichkeiten, ohne Hilfe in die Straßenbahn zu gelangen, Schwierigkeiten, Geschäftslokale oder öffentliche Gebäude zu betreten, viele Altbauten ohne Aufzug, selbst die Kreuzungsbereiche verparkt … Für mich war das eine prägende Erfahrung, die ich auf meine Arbeit übertragen habe.

Was sich seit damals in Wien alles zum Besseren geändert hat, und zwar sowohl im öffentlichen Raum und im öffentlichen Nahverkehr, als auch bezüglich des barrierefreien Zuganges zu Geschäftslokalen und öffentlichen Gebäuden aller Art sowie des privaten Hausbestandes, brauche ich nicht aufzuzählen.

Aber es gibt immer noch genügend Betätigungsfelder wie etwa die Schaffung von Begegnungszonen in schmalen Straßenräumen, um so die Vorherrschaft des Autos einzuschränken, oder den Entfall von Parkplätzen zugunsten breiterer Gehsteige. Wichtig ist aber auch die Ermöglichung kreativer Lösungen für den barrierefreien Zugang zu Wohnungen in bestehenden Gebäuden wie etwa durch liegenschaftsübergreifende Planungen als kleine Blocksanierung wo beispielsweise ein Aufzug mehrere Gebäude erschließen könnte.

Andererseits gibt es auch Barrieren in den Köpfen der Menschen, die es zu beseitigen gilt (jeder/jedem wird dazu aus der eigenen Erfahrung etwas einfallen, glaube ich) und da ist viel Verständnis, Gesprächsbereitschaft und Geduld erforderlich, um diese zu beseitigen: alles Eigenschaften, für die Gebietsbetreuer*innen bekannt sind.


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