Zum Nachlesen: Geschichten
aus dem Alten Ort

© GB*, freepik, Skalgubbar

Die rasenden Reporter*innen unserer Initiative „Wir machen Zeitung“ treffen Menschen  im Viertel rund um den „Alten Ort“ in Ottakring und sprechen mit ihnen übers Grätzl und darüber, was sie bewegt.  Wer sind die Menschen die hier wohnen und arbeiten? Was tut sich in der Nachbarschaft und was macht sie so besonders? Welche Erinnerungen verbinden die Bewohner*innen mit diesem Ort? Das und mehr erzählen sie in ihren Geschichten:

Marie, die vielseitige Frau hinter dem Lenkrad

Marie wuchs in Oberösterreich auf, in einem Dorf, in dem jeder alles über jeden wusste. Diese Nähe empfand sie oft als einengend. Der Umzug ins Studentenheim markierte den Beginn eines Lebens, in dem sie regelmäßig den Wohnort wechselte. Seit 15 Jahren lebt sie in Wien, in einer Stadt, die ihr die ersehnte Anonymität bietet.

Seit zwei Jahren arbeitet Marie als Busfahrerin. Zuvor hatte sie Lehramt für Deutsch und Französisch studiert und unterrichtet. Doch ihre Begeisterung für große Fahrzeuge führte sie zu den Wiener Linien. Sie fährt 12 Linien, darunter den 10A, 48A und 57A. Als Frau in einem männerdominierten Beruf musste sie sich Respekt hart erarbeiten und sich gegen Vorurteile und sexistische Kommentare behaupten.

Ihr Alltag ist geprägt von wechselnden Arbeitszeiten – manche Tage beginnen bereits um vier Uhr morgens. Die frühen Stunden sind für sie besonders. Leere Straßen und Sonnenaufgänge offenbaren ihr eine ganz andere Seite der Stadt.

Während ihrer Fahrten lauscht sie Gesprächen, die sie oft zum Nachdenken anregen. Besonders prägend sind Momente, in denen Eltern mit ihren Kindern sprechen. Doch auch schwierige Situationen gehören dazu, wie etwa rassistische Kommentare, die sie miterlebt hat.

Neben ihrer Arbeit hat Marie das Kollektiv Momo mitgegründet, einen Verein für feministische Kulturveranstaltungen – meist Tanz und Theater. „Mit Momo wollen wir einen Raum schaffen, wo Menschen reden können. Dann sieht man die Gedanken klarer und kann darüber mit anderen reflektieren“, erzählt Marie.

Marie erlebt Wien auf eine einzigartige Weise. Sie beobachtet, wie sich die Stadt verändert – neue Radwege entstehen, Baustellen kommen und gehen. Durch ihre Arbeit hat Marie die Wege Wiens genau kennengelernt, was ihr ein tiefes Gefühl der Sicherheit gibt, auch außerhalb ihrer Arbeit, wenn sie mit dem Fahrrad oder dem Auto unterwegs ist. Die Straßen und Regeln sind ihr vertraut. „Wenn ich durch die Straßen fahre, habe ich das Gefühl, die Stadt gehört mir“, sagt sie.

Auf dem Bild ist eine junge Frau zu sehen, die freundlich in die Kamera lächelt. Sie steht im Freien in einem urbanen Umfeld vor einem grauen Wohnhaus mit mehreren Fenstern. Die Frau trägt eine schwarze Sportjacke der Wiener Linien mit weißen und roten Streifen entlang der Ärmel, darunter ein weißes Polo-Shirt. Ihre Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie hält die Lenkstange eines Fahrrads, das einen schwarzen Drahtkorb vorne montiert hat. Im Hintergrund befinden sich mehrere geparkte Fahrräder und ein leicht beleuchteter Bereich mit rötlichem Licht an einer Hauswand. Links oben ist ein orangefarbenes Symbol zu sehen, das wie ein Zeitungspiktogramm aussieht.
Marie hat ursprünglich auf Lehramt studiert. Als sie gesehen hat, dass die Wiener Linien explizit Frauen suchen, hat sie sich spontan dafür beworben und die Ausbildung absolviert. (© GB*)
Das Bild zeigt eine stilisierte Karte eines Stadtgebiets mit orangem Hintergrund und weißen Straßenlinien. Zwei schwarz-weiße Bilder von Frauen sind auf der Karte platziert: Links fährt eine Frau mit einem Fahrrad, rechts läuft eine Frau zu Fuß. Ein gestrichelter Pfeil verbindet die beiden Positionen und zeigt einen Wegverlauf an. Die Karte enthält mehrere Straßennamen, darunter „Seeböckgasse“, „Wilhelminenstraße“, „Ottakringer Straße“, „Thaliastraße“, „Hasnerstraße“ und „Haberlgasse“.  Am unteren Rand des Bildes stehen Informationen in weißer Schrift:      10°C mit einem Sonnensymbol     1304 Pedaltritte (vermutlich die Anzahl der Tritte beim Fahrradfahren)     1 Std (die Dauer der Aktivität)     Reporterin: Yomna
Auf ihren täglichen Wegen beobachtet die Busfahrerin wie sich Infrastruktur und Straßen ändern und entwickeln. (© GB*, Skalgubbar, mrcutout)

Julia Haring und die kleinen Stadtplaner*innen

Wenn es um Stadtplanung geht, denken wir meist an Architekt*innen, Raumplanung und Stadtverwaltungen. Doch was, wenn wir die Perspektive wechseln und die jüngsten Stadtbewohner*innen zu Wort kommen lassen? „Die Kinder denken sehr viel mit, überlegen sich viel”, erzählt Julia Haring, Elementarpädagogin in Ottakring. Sie erinnert sich an einen Ausflug im Sommer, bei dem sie mit der Gruppe zu einem kühlen Waldspielplatz fuhren. Das Zurückkommen in den Kindergarten im Alten Ort war ein Schock - ein weit über 30 Grad aufgeheizter Beton empfing sie am Platz. Sie hörte, wie die Kinder von sich aus eine Diskussion starteten: „Schon hatten sie Pläne für ein schattigeres Grätzl, mit Bäumen, Sonnensegeln und einem Bach, in den man die Füße halten kann.“

Daraus ergab sich auch gleich ein neues Projekt: „Ich beobachte, was die Kinder interessiert und nehme das dann auf. Die Kinder wurden gefragt, wie sie den Vorplatz gestalten würden. Sie wünschten sich eine Schiffschaukel am Platz, die sie als Attraktion vom Ottakringer Kirtag kennen. Hundertwasser ist auch ein Thema, das Kinder anspricht. Das haben viele Kinder übernommen in ihren Zeichnungen: buntere Hausfassaden und begrünte Balkone und Dächer,“ erzählt die Frau Haring. „Es entstand sogar eine Diskussion über Parkplätze! Während einige für mehr Grünflächen plädierten, meinten andere, weniger Parkplätze seien unpraktisch.“ Und es blieb nicht nur bei Gesprächen. Mit Kreativität und Tatendrang gestalteten die Kinder ein 3D-Modell ihres idealen Platzes. Aus Pappkartons, Brio-Eisenbahn und Miniaturbäumen entstand ein wandelbarer Prototyp. Dass dabei die 10er Marie und das Jugendzentrum auch ihren Platz fanden, zeigt, wie vertraut die Kinder mit ihrer Umgebung sind.

“Für mich war das Spannendste, dass die Kinder Diskussionen führten, die, wenn es um Gestaltung des öffentlichen Raums geht, auch bei Erwachsenen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen”, staunt die Pädagogin. Wenn das nicht nach Stadtplanung im Miniformat klingt!

Das Bild zeigt eine Frau, die vor einem Kindergarten mit roten und gelben Elementen steht. Sie trägt eine schwarze Jacke mit der Aufschrift "Wiener Kindergärten" in bunten Buchstaben und hat einen rosa Schal um den Hals. Im Hintergrund sieht man einen offenen Eingangsbereich mit großen Glasfenstern, durch die Tische und Stühle zu erkennen sind. Der Außenbereich ist von einem kleinen Holzzaun umgeben, der teilweise bunt bemalt ist. Die Frau lächelt in die Kamera.
Julia Haring war sich schon früh sicher, dass sie Elementarpädagogin werden möchte. Sie übt ihren Beruf mit großer Leidenschaft aus und liebt es die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten. (© GB)
Die Grafik zeigt eine stilisierte Karte eines Stadtviertels in orangefarbener Farbgebung mit eingezeichneten Straßennamen, wie „Sandleitengasse“, „Thaliastraße“ und „Palaugasse“. Über die Karte sind drei schwarz-weiße Fotografien von Frauen eingefügt, die entlang einer gestrichelten Linie positioniert sind. Diese Linie markiert vermutlich eine Route, die mit dem Text „Alter Ort“ gekennzeichnet ist. Am unteren Rand der Grafik sind Informationen angegeben: •	9°C mit einem Sonnensymbol •	2708 Schritte •	1 Std •	Reporterinnen: Barbara, Sophia Die Komposition vermittelt den Eindruck einer dokumentarischen Wanderung.
Der Platz vor dem Kindergarten ist ein Teil der Identität des Grätzls und auch ein Thema im Kindergarten. Nicht nur die Aufregung vor dem Ottakringer Kirtag, auch die Hitze durch den mangelnde Schatten im Sommer führt zu regen Diskussionen bei den Kindern. (© GB*, Skalgubbar, Freepik)

Claudia Reiter, Kindergartenleiterin mit Herz und offener Tür

Claudia Reiter ist über den zweiten Bildungsweg im pädagogischen Bereich gelandet, denn eigentlich spürte sie schon während ihrer Schulzeit den Wunsch danach, Pädagogin zu werden. Seit den frühen 90ern arbeitet sie nun in diesem Feld und hat über die Zeit viele berührende und lustige Erlebnisse gesammelt: „Einmal hat mich ein Kind gefragt, ob ich in der Puppenecke wohne“, schmunzelt sie. Die Leitung des Kindergartens hat sie nun seit stolzen 13 Jahren inne. Dabei ist es ihr wichtig, Offenheit zu vermitteln: „Bei mir ist die Türe immer offen. Ich liebe es, wenn ich die Kinder am Gang reden höre. Es ist ein wunderschöner Beruf.” 

Über die Jahre hat Frau Reiter beobachtet, wie sich die Rolle der Eltern gewandelt hat. Heute dreht sich vieles um die kognitive Förderung. Mit drei können manche Kinder schon alle Dinosaurier und Planeten aufzählen. Die Kindergarten-Leiterin und ihr Team legen das Hauptaugenmerk verstärkt auf das Emotionale, die „Herzensbildung". Passend dazu lautet das diesjährige Jahresthema „Wohlbefinden“. Das hilft auch in einem multikulturellen Kindergarten wie dem im alten Ortskern: Wenn Sprachbarrieren auftreten, können Gefühle oft mehr ausdrücken als Worte – dann übernehmen Mimik, Gestik und die Körperhaltung den Job des Übersetzens.

Frau Reiter selbst kommt auch aus Ottakring und begleitet manche Familien schon seit mehreren Generationen. “Wenn man dann so sieht, dass aus diesen kleinen Wesen erwachsene Leute werden, die dann selbst wieder mit ihren Kindern kommen, fühlt man sich ein bisschen alt, aber es ist trotzdem ein schönes Gefühl.”

Mit der Verantwortung für rund 100 Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren hat sie also alle Hände voll zu tun – und das mit Erfolg! Der Kindergarten ist bei Familien aus dem Einzugsgebiet ebenso beliebt wie bei Fachpersonal und viele junge Menschen wollen ihr Praktikum hier absolvieren. „Es spricht sich halt rum, dass wir engagiert arbeiten und mit Herz dabei sind.“

Das Bild zeigt eine Frau mittleren Alters mit schulterlangem, braunem Haar und Brille. Sie trägt ein schwarzes Oberteil mit weißen Punkten und lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sind bunte, selbstgebastelte Blätter aus Papier in Grün-, Gelb- und Rottönen, die von der Decke hängen. Der Raum wirkt freundlich und kreativ, mit Polstern in Gelb und Grün, die im Hintergrund auf einer Sitzfläche liegen.  In der oberen linken Ecke des Bildes ist ein orangefarbenes Feld mit einem weißen Symbol, das eine Zeitung oder ein Dokument darstellt.
Die Kindergartenleiterin und ihr Team setzen einen besonderen Schwerpunkt auf emotionale Entwicklung. (© GB*)
Das Bild zeigt eine stilisierte Stadtkarte in orangefarbener Gestaltung mit weißen Straßenlinien. Zwei Frauen, dargestellt in Schwarz-Weiß-Fotografien, stehen an verschiedenen Punkten auf der Karte. Eine gestrichelte Linie verbindet die beiden Figuren und symbolisiert eine zurückgelegte Strecke.      Links: Eine Frau (beschriftet mit "Barbara") steht in einem formellen Outfit, hält ein Klemmbrett und macht sich offenbar Notizen.     Rechts: Eine andere Frau (beschriftet mit "Sophia") trägt einen Mantel, hält ein Blumengesteck in der Hand und wirkt entspannt.     Kartenbeschriftung: Orte wie „Alter Ort“, „Thaliastraße“, „Paltaugasse“, „Sandleitengasse“ und „Hasnerstraße“ sind vermerkt.     Statistiken unten:         Wetter: „9°C, sonnig“ (symbolisiert durch eine Sonne).         Zurückgelegte Schritte: „2708 Schritte“.         Zeit: „1 Std“.         Text: „Reporterinnen: Barbara, Sophia“.  Der Hintergrund besteht aus einer monochromen Farbfläche, die durch die kontrastierenden Elemente und klare Schrift leicht lesbar ist.
Frau Reiter kennt manche Eltern schon seit deren eigenen Kindergartenzeit in der Ottakringer Straße 202. (© GB*, Skalgubbar, mrcutout)

Rosalinda, die vielseitige Lehrerin

Rosalinda lädt uns für unser Gespräch in ihr Wohnzimmer ein. Es ist ein Nachmittag im November und ihre Wohnung strahlt Gemütlichkeit und Idylle aus. Rosalinda ist gebürtige Wienerin und arbeitet als Lehrerin in einer integrativen Schule. Außerdem hat sie einen Podcast und macht Stand-Up Comedy. In Ottakring lebt sie seit sechs Jahren. Ihr gefällt hier vor allem die Nähe zum Wilhelminenberg, dass es dörfliche, kleinteilige Strukturen gibt und die Weitläufigkeit. „Ich mag die Gegend hier wirklich gerne. Sie ist öffentlich gut angebunden, aber ich bin auch mit dem Fahrrad überall schnell.  Es gibt viele kleine grüne Flecken, es ist ruhig und fühlt sich nie überfüllt an.“

Den Mittelpunkt unseres Gesprächs bildet allerdings die Hausgemeinschaft: Rosalinda steht mit vielen ihrer Nachbar*innen in engem und regelmäßigem Austausch. Sie leihen einander Alltagsgegenstände, helfen sich mit Lebensmitteln aus, gehen zusammen Kaffee trinken oder sitzen gemeinsam im begrünten Innenhof. „Gestern hat mich die Lisi gebeten ihr Rad, das draußen angeschlossen ist, mit einem weiteren Schloss zu sichern. Und so etwas machen wir dann eben füreinander.“

Das Leben in der Großstadt ist oft anonym und gerade deshalb schätzt sie den Zusammenhalt in ihrem Haus. Manchmal ist es aber auch angenehm, nicht alle Menschen zu kennen und sich in der Masse verlieren zu können. Für Rosalinda vereint ihr Zuhause das perfekte Maß an Großstadtanonymität mit der Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung. Sie wünscht sich für die Zukunft des Hauses und den Alten Ort vor allem eines: dass es so bleibt wie jetzt. Sie hofft, dass der Ort nicht weiter gentrifiziert wird, damit nicht die alten Orte und Strukturen verloren gehen. Das Einzige, was ich hier manchmal vermisse, ist ein kleines nettes Kaffeehaus, in dem man gemütlich abhängen kann“, sagt Rosalinda zum Abschluss unseres Gesprächs.

Ein rote brennden Kerze und Trockenblumen azf einem Tich, im Hintergund vescrhwommen ein Mobile mit Fotos
Rosalinda ist Teil einer gemeinsamen Chatgruppe mit ihren Nachbar*innen. Dort tauscht man sich aus, leiht sich Dinge und kommt gelegentlich in den verschiedenen Wohnzimmern oder im begrünten Innenhof bei einer Tasse Kaffee zusammen. (© GB*)
Ein orange eingefärbter Ausschnitt einer Karte, darauf 2 Fotos Personen als Scherenschnitte und ein weiß strichliert eingezeichneter Weg sowie Angaben über Schrittanzahl , Temperatur (11 C) und Reporterin (Maj)
Die Lehrerin schätzt die vielen grünen Flecken und das dörfliche Gefühl in Ottakring. (© GB*, Skalgubbar, Freepik)

Sophie, die Bühnenbildnerin

Zwischennutzung? Klingt trocken? Nicht für Sophie und das „Kollektiv Kaorle“ im Alten Ort in Ottakring! Wir treffen die freischaffende Bühnenbildnerin in der temporären Heimat einer kreativen Community. Hier gibt es Ateliers, Veranstaltungsräume, ein Keramikstudio und viel Platz für die Nachbarschaft. Leider müssen Sophie und ihre Künstler-Kolleg*innen bald ausziehen, denn trotz der gut funktionierenden Infrastruktur ist eine Zwischennutzung immer befristet.

Sophie plant ihr Leben in Jahrestakten: Seit fünf Jahren ist sie als Bühnenbildnerin in der freien Szene und an Stadttheatern aktiv, zuletzt beim Steirischen Herbst. Zwischen Projekten und Städten pendelnd, kennt sie das Gefühl der Ungewissheit gut. Der theatergeprägte Alltag erfordert Zeit, Flexibilität und ist stets von Deadlines und neuen Projekten bestimmt.

„Das Theater ist ein kreativer Raum, aber ohne Sicherheitsnetz”, sagt sie. „Ich sehe kaum Frauen mit Kindern in meinem Beruf. Ich mag es, dass Dinge nicht fertig sind. Ich mag es, von Projekt zu Projekt zu arbeiten und dann auch immer wieder Dinge abzuschließen. Und dann kommen neue Dinge. Also irgendwie mag ich diesen Schwebezustand, aber so gut fühlt er sich auch nicht immer an.”

Das „Kollektiv Kaorle“ hat durch die Unterstützung des Vereins „Kreative Räume“, die leerstehenden Orte für befristete Projekte zugänglich macht, ein vorübergehendes Zuhause gefunden. Sophie liebt die besondere Grätzl-Atmosphäre im 16. Bezirk und es stimmt sie traurig, dass der mit viel Engagement geschaffene kulturelle Treffpunkt in Ottakring bald schließen muss. Die Kunst bleibt nomadisch.

Ein aufgeklappter Laptop und Skizzen von Kostümen liegen auf einem Tisch.
Sophie arbeitet von Projekt zu Projekt - langfristige Planungen sind in ihrem Job als freischaffende Bühnenbildnern nicht möglich. (© GB*)
Ein orange eingefärbter Ausschnitt einer Karte, darauf 2 Fotos Personen als Scherenschnitte und ein weiß strichliert eingezeichneter Weg sowie Angaben über Schrittanzahl , Temperatur (12 C) und Reporterin (Sophia)
Die temporäre Heimat des „Kollektiv Kaorle" befindet sich Mitten im Alten Ort auf der Ottakringerstraße 201. (© GB*, Skalgubbar, Freepik)

Herr Haslmair, der Erfinder

Herrn Haslmair haben wir im Sommer bei unserer Zeitungswerkstatt im Alten Ort kennengelernt. Wir treffen den vielseitigen Maschinenkonstrukteur, Erfinder und Poeten zu einem Gespräch im Kaffeehaus.

Herr Haslmair erzählt uns die Geschichte seiner Werkstatt in der Odoakergasse: 1962 war sein Sohn durch eine Medikamentenverwechslung schwer erkrankt. Daraufhin gründete er 1974 sein eigenes Unternehmen und entwickelte Maschinen zur kontrollierten Verpackung pharmazeutischer Präparate: „Wenn sie heute auf irgendein Medikament schauen, dann werden Sie einen Strichcode entdecken“, erläutert er. Die Maschinen sorgen dafür, dass Medikamente mittels Strichcodes sicher in der richtigen Dosierung und Verpackung mit Beipacktext zugeordnet werden. Seit damals habe es keine Verwechslung mehr gegeben.

Dem gebürtigen Ottakringer mit dem Motto „Nie aufgeben!“ ist der Klimaschutz ein besonderes Anliegen. Nach Österreichs Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens entwickelte Herr Haslmair mit 79 Jahren eine solarbetriebene Maschine zur Trinkwasseraufbereitung, die Krankheiten wie Cholera, Ruhr und Typhus eliminiert. Sein Prototyp erhielt 2018 eine Goldmedaille auf der Erfindermesse in Nürnberg, jedoch fand sich kein Investor.

Seine körperliche Gesundheit führt der 88-jährige auf seine Wohnung im 3. Stock zurück - seit 46 Jahren steige er täglich dreimal die Stufen hinauf und hinunter. Herr Haslmair verfasst regelmäßig Gedichte zum innenpolitischen Geschehen, auch eines über den Bundespräsidenten, der ihm in einem Brief persönlich dafür dankte. Nach 72 Jahren beruflicher Tätigkeit schließt Herr Haslmair nun sein Unternehmen und blickt auf ein erfülltes Leben zurück, in dem er umsetzte, was er schon bei den Pfadfindern gelernt hatte: immer neue Wege zu suchen und zu finden.

Der Maschinenkonstrukteur hat auch eine poetische Ader. Bereits mit 9 Jahren wurde eines seiner Gedichte in der Zeitschrift „Kinderpost“ abgedruckt. (© GB*)
Herrn Haslmairs Werkstatt liegt in der Odoakergasse, nahe dem Alten Ort. Hinter der unscheinbaren Fassade des alten Gründerzeithauses würde niemand eine so wichtige Innovation vermuten. (© GB*, Skalgubbar, Freepik)

Valentina, die ukrainische Künstlerin

Wir besuchen Valentina, eine ukrainische Künstlerin, und ihre Schwester Olga im Haus Liebhartstal, einer Unterkunft für geflüchtete Familien. Beide sind bereits zweimal vor dem Krieg geflohen: Vor zehn Jahren von der Krim nach Charkiw und von da nach Wien. Valentina arbeitet mit Ölmalerei, Grafik und Ikonografie, während Olga Innen- und Außendesign sowie Geschichte studiert hat. Seit ihrer Kindheit wurden sie von ihren unterstützenden Eltern in der Kunst gefördert. In Österreich fühlen sie sich an die Krim erinnert. „Die Berge, das saubere Wasser, die Natur – es ist unserer Heimat sehr ähnlich. Wir fühlen uns hier sehr wohl“, erzählt Valentina.

Im ersten Jahr nach ihrer Flucht stand sie allerdings unter Schock und malte nicht, da sie auch keinen Zugang zu Materialien hatte. Dennoch ist es die Kunst, die den beiden hilft, Herausforderungen zu bewältigen. Trotz Krieg und Krankheit haben sie zahlreiche Länder bereist und viele Orte in Österreich erkundet, immer auf der Suche nach Kunst, Natur und Kultur.„Als Malerin fängt man jedes Mal mit einem leeren, weißen Blatt an. Man weiß nicht, was als Nächstes kommt oder wie das Ergebnis aussehen wird. Aber das wiederholt man tausend Mal, vertraut auf sich und wird dadurch mental stärker“, erklärt Olga, wie sie immer wieder neue Kraft schöpft. Sie ermutigt auch andere, Herausforderungen anzugehen und nicht aufzugeben.

Der Anfang in Wien war jedoch schwierig – insbesondere die Sprachbarriere und die Unterbringung bereiteten Probleme. Sie schätzen jedoch ihre jetzige Unterkunft, die ihnen Raum für Kreativität bietet:„Wir haben eine grüne Umgebung, ein wunderschönes Panorama und einen Berg direkt vor der Tür. Der Weinberg erinnert uns an zu Hause. Fehlt nur noch das Meer.“ Valentinas Liebe zur Natur ist auch zentrales Thema ihrer Malerei. Für die Zukunft träumen sie von mehr Ausstellungen, einem kleinen Atelier und der Möglichkeit, ihre Leidenschaft für die Kunst als Lehrerinnen weiterzugeben.

Valentina und Olga wohnen in einer Unterkunft für Geflüchtete, wo wir sie am Tag der offen Tür kennen lernen. (© GB*)
Die Albertina und die Oper gehören zu den Lieblingsorten der beiden Frauen in Wien. (© GB*, mrcutout.com)

Dr. Müller, der Leiter des Bezirksmuseums Ottakring

Im Gespräch mit Dr. Müller, dem Leiter des Bezirksmuseums Ottakring, tauchten wir tief in die Geschichte des Alten Orts ein. Dr. Müller wohnt selbst im Grätzl und radelt am Weg zu seinem Arbeitsplatz fast täglich durchs historische Zentrum Ottakrings. Im Bezirksmuseum präsentiert er uns Karten und Pläne, die bis ins Jahr 1819 zurückreichen und erzählt: „Damals war Ottakring noch ein kleines Dorf, geprägt von Landwirtschaft und Handwerk. Ein markantes Merkmal war der Ottakringer Bach, der früher noch oberirdisch verlief. Erst in den 1830er-Jahren wurde er teilweise eingewölbt. Diese Veränderungen sind in einer Ausschreibung des ansässigen Klosters dokumentiert.

Viele der heutigen Straßennamen wie beispielsweise die Pfenninggeldgasse, die Funkenkerngasse, die Erdbrustgasse und die Lienfeldergasse haben historische Bezüge. Diese Namen spiegeln die bäuerliche und handwerkliche Vergangenheit Ottakrings wider. Sie verweisen auf alte Bezeichnungen von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken.

Mit der Zeit entwickelte sich im Zuge der Industrialisierung aus dem alten Dorf die typische gründerzeitliche Blockrandbebauung, eine Gruppierung von Gebäuden in geschlossener Bauweise um einen gemeinsamen Hof. 1872 wurde die Straßenbahnlinie – zunächst  mit Pferden betrieben – eingerichtet. Diese brachte den Anschluss an die Stadt und förderte das Wachstum. Der erste Gemeindebau Ottakrings entstand bereits 1921. Dieses frühe Beispiel sozialer Wohnbaupolitik zeigt, wie die Stadt Wien nach der Eingemeindung Ottakrings die Entwicklung vorantrieb.

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und dem allgemeinen Verfall setzte in den späten 1950er- und frühen 60er-Jahren eine Erneuerungsphase ein. Viele alte Gebäude wurden modernisiert oder durch Neubauten ersetzt.“

Dr. Müller fasziniert besonders, „dass seit Jahrhunderten und trotz der vielen Veränderungen, die historische Struktur des Alten Orts in Ottakring in vielen Teilen erhalten geblieben ist.Diese Mischung aus alten Bauten und modernen Strukturen macht den besonderen Charme dieses Wiener Bezirks aus.

Der Leiter des Bezirksmuseums zeigt uns anhand von verschiedenen Karten wie sich Ottakring seit Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. (© GB*)
Dr. Müller radelt am Weg zu seinem Arbeitsplatz durch den Alten Ort. (© GB*, Skalgubbar)

Hikmet, der Koch mit dem Fahrrad

Als wir Hikmet im türkischen Supermarkt auf der Sandleitengasse treffen, lädt er uns spontan auf ein Getränk ein und wir kommen ins Gespräch. Hikmet erzählt uns, dass er mit 9 Jahren mit seiner Schwester aus Afghanistan flüchten musste. Nach einigen Jahren in der Türkei ist er zu einem Fußmarsch nach Österreich aufgebrochen. 3,5 Monate hat er dafür gebraucht. Er ist bei Kälte, Regen, ohne Wasser und ohne Pass marschiert, ist den Eisenbahnschienen gefolgt und seinem Gefühl. Dabei hat er viel Schlimmes erlebt, aber auch Hilfsbereitschafterfahren.

Als er einmal sehr krank war, hat ihm ein fremder Mann sein Geschäft für drei Tage als Schlafplatz überlassen, ihn mit Wasser und Essen versorgt und ein Zugticket gekauft. Als Hikmet wissen wollte, wie er ihm das zurückzahlen kann, antwortete ihm der Mann:„Mir musst du nichts zurückgeben, aber sei du selbst auch so hilfsbereit.“  Das hat er sich zu Herzen genommen. „Ich helfe allen, egal woher sie kommen – für mich sind alle Menschen gleich viel wert. Ich kenne alle meine Nachbar*innen, wir grüßen einander und ich frage immer nach, wie es ihnen geht. Ein Lächeln von Nachbar*innen ist für mich genug, um einen schönen Tag zu haben“, sagt Hikmet, der als Koch arbeitet und ein Vorbild für andere sein möchte. Neben dem Kochen liebt er es zu schnitzen, Fahrräder zu reparieren und Tischtennis zu spielen. Sein größter Wunsch: Seine Familie wieder zu treffen - er hat sie seit 18 Jahren nicht mehr gesehen.

Hikmet ist am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs. (© GB*)
Unsere rasende Reporterin Seda trifft den jungen Koch einem türkischen Supermarkt und kommt gleich mit ihm ins Gespräch. (© GB*, Skalgubbar)

Frau Sommer, die gute Seele im Gemeindebau

Dieses Mal machen wir uns mit einem konkreten Ziel auf den Weg in den Alten Ort in Ottakring: Wir treffen uns mit einer alten Bekannten für ein Gespräch. Frau Sommer war viele Jahre lang Hausbesorgerin in einem Gemeindebau in Ottakring, in dem sich auch unser GB*Stadtteilbüro befindet. Sie war sehr beliebt bei der Nachbarschaft und hatte immer ein offenes Ohr für alle. Die Menschen teilten erfreuliche Nachrichten, aber auch alltägliche Sorgen und Probleme mit ihr. Eine Kollegin erzählt, dass ihr der Anblick der Hausbesorgerin, die aus dem Fenster schaut, immer noch fehlt.

Nun ist Frau Sommer im wohlverdienten Ruhestand. Die Gegend rund um die Sandleitengasse, in der sie heute wohnt, gefällt ihr besonders gut. Supermärkte und Frisör sind zu Fuß erreichbar, es gibt mehr Grün und für weitere Wege nutzt sie den öffentlichen Verkehr: „Für mich ideal! Ich bin nicht auf meinen Mann angewiesen und nicht auf das Auto.“

Auch ihre Tochter wohnt in der Nachbarschaft. Diese würde sich gerne mehr um ihre Mutter in Pension kümmern.„Meine Tochter sagt ,Ruf an!‘, aber ich sage nein, ich mache das zu Fuß oder mit der Straßenbahn. Lasst mir meine Selbstständigkeit!“

Die Jungen wären gerne aufs Land in ein Mehrgenerationenhaus gezogen, aber dafür ist Frau Sommer viel zu sehr Städterin und hängt an ihrer Autonomie. Diese steht und fällt mit den Möglichkeiten, die das Wohnumfeld bietet: Ärzte, Bäcker, öffentliche Verkehrsmittel, aber auch beiläufigen soziale Kontakten, die sich in einer Wohnhausanlage ergeben. Es gibt viele Gründe, die für Frau Sommer für ein Leben in der Stadt sprechen.

Frau Sommer war viele Jahre lang Hausbesorgerin im Gemeindebau in dem sich das GB*Büro befindet. (© GB*)
Supermärkte, Frisör, Bäckerei und Öffis sind rund um die Sandleitengasse gut zu Fuß erreichbar. (© GB*, Skalgubbar)

Herr S., der Tischler in den Stadtbahnbögen

Auf der Suche nach spannenden Menschen und interessanten Geschichten entdecken wir bei den Stadtbahnbögen im Alten Ort von Ottakring ein buntes Schaufenster: Zahlreiche Körbe, kleinere Möbelstücke und diverse Gegenstände aus Holz zieren die Auslage. Das macht uns neugierig. Die Tür steht offen, doch keiner scheint da zu sein. Wir finden Herrn S., den Besitzer der Tischlerei, ganz hinten im Lager, wo sich zahlreiche Holzlatten, Platten und Kisten bis an die Decke stapeln. Wir fühlen uns wie in einer Zeitkapsel: Körbe, Garnituren, Schneidbretter - alles ist in Schilling angeschrieben. Herr S. beginnt zu erzählen: 87 Jahre sei er alt, seit 60 Jahren an diesem Standort, aber nun wollen die Bundesbahnen die Bögen renovieren und er muss weichen. Herr S. hat schon viele Veränderungen erlebt und mitgemacht: Gelernt hatte er Kunsttischler, später arbeitete er als Möbeltischler und aufgrund der Marktveränderungen schlussendlich auch als Bautischler. Er fertigte unter anderem Möbel für Bundeskanzler Julius Raab an und auch besondere Einzelstücke wie Barockbetten.

Herr S. half auch im Korbgeschäft seiner Frau in Ottakring mit, das eine zeitlang sehr gut lief. Doch dann kam die Billigware aus China und sie mussten zusperren„Im Winter gab’s weniger Aufträge und ich hätte Zeit gehabt, um Ski zu fahren, aber es war kein Geld da. Ich hab immer nur gearbeitet. Oft haben die Kinder schon geschlafen, wenn ich heimgekommen bin.“Früher hatte Herr S. drei bis vier große Aufträge im Jahr, zuletzt nur noch einen. 70.000 bis 80.000 Schilling kostete früher ein Bett aus Handarbeit, zuletzt hätte er für eine ganze Sitzgarnitur nur noch 3.000 Schilling verlangen können.

Herr S. hätte seine Tischlerei gerne an seinen Sohn übergeben, aber dieser war nie an Holz interessiert. Generell kenne er kaum noch Menschen, die meisten die er kannte, seien schon tot. Den Nachbarn, ein Mechaniker, grüße er, mehr Kontakte hätte er nicht.„Das ist die Stadt, da rennen viele Leute herum, aber man kennt sich nicht“, sagt Herr S., der sich lieber an die alten Zeiten erinnert, als er am Wilhelminenberg Schafe, Hendln und Ziegen hatte. Einmal wären ihm die Ziegen davon gerannt - bis in die Stadt, lacht der alte Herr und meint:„Wenn man so lange lebt, erlebt man viele Veränderungen. Man gewöhnt sich daran, aber es ist nicht immer leicht!“

Verkaufsraum mit Körben und Gegenständen aus Holz
Im Verkaufsraum der Tischlerei finden sich Körbe, kleinere Möbelstücke und diverse kleine Gegenstände aus Holz in Schilling angeschrieben. (© GB*)
Die Reporter*innen erkunden auch mit dem Fahrrad den Alten Ort in Ottakring. (© GB*, Skalgubbar, toppng.com)

Herr A., der Friseur in der Thaliastraße

In der Thaliastraße gibt es 19 Friseursalons, aber der von Herrn A. ist mehr, als nur ein Ort zum Haare schneiden. Menschen kommen oft hierher, um zu verweilen, zu plaudern und Informationen auszutauschen. Herr A. kann das in sechs verschiedenen Sprachen.

„Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit und Solidarität untereinander. Wenn unser Wasser abgestellt ist, geben uns unsere Nachbarinnen und Nachbarn mit einem Schlauch Wasser, wenn unser Strom abgestellt ist, versorgen sie uns mit einem Generator mit Strom. Wir sind wie Verwandte geworden. Es ist uns egal, woher sie kommen, welchen Glauben sie haben oder welche politischen Ansichten sie vertreten. Vorurteile sind wie ein Ungeheuer“,  erzählt Herr A.

Herr A. wurde in Bulgarien geboren. Inzwischen arbeitet er schon seit 10 Jahren im Salon und lebt gerne in Ottakring: „Dieser Ort hat mir viel gegeben. Dank der guten Bedingungen, die mir diese Stadt bietet, habe ich mich entwickelt und bin ein ganz anderer Mensch geworden.“

Herr A. meint, der Beruf des Friseurs ist mehr als nur Haare schneiden. Die Kund*innen erzählen viel und bauen Vertrauen auf. Deswegen ist er auch sehr gut vernetzt in seinem Viertel und hat Kontakte aus den unterschiedlichsten Bereichen, was ihm das Leben erleichtert: Das Gefühl, in diesem Viertel zu wohnen, gibt uns das Gefühl, zu Hause zu sein.“ 

Eine Rückenansicht von einem Mann, der einem anderen Mann die Haare schneidet.
Der Arbeitspatz von Herrn A., ist mehr als nur ein Ort zum Haare schneiden. (© GB*)
Orange eingefärbter Kartenauschnitt aus Ottakring. Eingezeichnet ist der Weg den die Reportein zum Friseur gegangen ist.
Reporterin Seda traf Herrn A. in einem Friseursalon in der Thalia Straße. (© GB*, Skalgubbar)

Frau B., die ehemalige Kinderkrankenpflegerin

Wir treffen Frau B. am Stillfriedplatz. Frau B. ist 89 Jahre alt und kommt aus dem Kosovo. Sie sitzt gerne hier im Park in der Sonne, um eine Zigarette zu rauchen. Als Kind hat sie im Krieg viel Schlimmes erlebt, daher wollte sie ursprünglich Ärztin werden. Als sie dann schwanger wurde, unterbrach sie ihr Studium und begann als Kinderkrankenpflegerin zu arbeiten. Auf ihre eigenen Kinder ist sie sehr stolz. Leider leben diese nicht in Wien. Hier hat sie nur eine Bezugsperson. Frau B. ist eine großzügige Frau, fast ihre ganze Pension schenkt sie ihrer Nachbarin mit behindertem Sohn in Dubrovnik.

Was ihr besonders wichtig ist, gibt sie uns noch mit auf den Weg: „Studieren, studieren, studieren. Besonders Migrant*innen sollen die Möglichkeit nutzen, sich zu bilden. Lieber das Geld in Ausbildung stecken als in Autos!“

Frau B. kommt gerne in den Park nahe der Pfarre Alt-Ottakring um in der Sonne zu sitzen. (© GB*)
Die rasenden Reporter*innen sind unterwegs um interessante Menschen und ihre Geschichten zu finden. (© GB*, Skalgubbar)

Mario, der Schülerreporter

Unser Team war beim Straßenfest „Grätzl for Future“ mit einer Zeitungswerkstatt für die Schüler*innen vor Ort. „Gemeinsames Leben und Lernen im Alltag“ ist das Motto des „BildungsgrätzlWest“. Es geht um Freude und Zusammenhalt, um Chancengerechtigkeit und darum, die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen zu stärken.

Mario, ein junger Mann, ist der erste Besucher an unserem Stand. Er ist zuerst etwas schüchtern, aber sehr interessiert an unserer Zeitungswerkstatt. Gemeinsam erörtern wir die Aufgaben von Journalist*innen. Ausgestattet mit „Presseausweis“, Presseweste, Aufnahmegerät und Kamera schicken wir den jungen Reporter aus, um Festbesucher*innen zu interviewen und die Stimmung vor Ort einzufangen. Die Fotos von Mario werden später vor Ort ausgedruckt und er bringt seine Interviews mit einer alten Schreibmaschine zu Papier.

Nebenbei erzählt uns Mario, dass er früher Schüler an der NMS Koppstraße war. Seither käme er immer wieder gerne zu Veranstaltungen her. „Es war eine gute Zeit, die Lehrer*innen waren sehr nett und die Kinder auch.“ Zum Schluss wollen wir noch wissen, was ihm am „Grätzl for Future“-Fest am besten gefalle? „Was ich hier schön finde, ist Gerechtigkeit“, antwortet er mit einem Lächeln.

Von den Festbesucher*innen erfährt Reporter Mario, was sie bewegt und wie ihnen das Fest gefällt. (© GB*)
Unsere Schüler*innen-Reporter*innen sind gut unterwegs, 3 Stunden im Einsatz - das alles bei tollem Sommerwetter und 26 Grad. (© GB*/freepik/Skalgubbar)