Erdäpfel aus eigener Erde
Der Schlingermarkt im Porträt

Leiner hält Produkte
© Jakob Böhm

Carmen Leiner ist eine junge Bäuerin mit viel Herzblut, frischem Obst und Gemüse.

Samstag, kurz vor sieben Uhr in der Früh auf dem Landparteienplatz: Es ist wieder einmal angerichtet. Auch Carmen Leiner hat ihren Marktstand bereits aufgebaut. Auf ihren Schultern ruht Verantwortung. In ihrem Tragetuch ruht der kleine Vinzenz und versucht von dieser exponierten Position aus, mit wachen Augen möglichst viel von der Welt aufzuschnappen.

Und es gibt schon jede Menge Welt um diese Zeit auf dem Floridsdorfer Bauernmarkt: Die Bauern aus dem Norden Wiens begrüßen ihre ersten Stammkunden. Ob wohl der Vinzenz den einen oder die andere erkennen kann? Seine Mutter wippt vorsichtig von einem Fuß auf den anderen, um ihn dadurch in Sicherheit zu wiegen. Stolz sagt sie: „Er ist jetzt schon ein Jahr alt.“

Sie heißt Carmen Leiner, und sie hat von ihrem Bauernhof in Wolfpassing an der Hochleithen nicht nur ihren Buben, sondern auch viel Passion mitgebracht. Die gelernte Gärtnerin sagt: „Ich bin heute Bäuerin aus Überzeugung.“

Carmen Leiner vor ihrem Stand, buntes Obst, Leiner trägt Kind am Rücken
© Jakob Böhm

Auf dem Markt bietet Carmen Leiner über den Sommer ihre Ringlotten, Kriecherl, Zwetschken, Birnen und ihren Holler an. Dazu Fleischparadeiser, Zucchini, Gurken, grünen Salat, Erdäpfel und Zwiebel. Eine Spezialität ist ihr Marillennektar. Die Freilandeier der 37-jährigen sind wiederum ein dezenter Hinweis darauf, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann, Josef Korn, einen Bauernhof mit 50 Hühnern, 30 Rindern, einer Zuchtsau und einer Schafherde führt.

Dass Carmen Leiner heute auf dem Schlingermarkt steht, ist keinem Zufall geschuldet. Die Bäuerin erzählt: „Ich habe mir mit einer Freundin mehrere Märkte in Wien angesehen. Dieser Markt war mir auf den ersten Blick sehr sympathisch. Die Menschen zeigten sich von Anfang an nett und hilfsbereit.“

Ein junges Paar mit Kinderwagen bleibt stehen und lächelt dem aus dem Tragetuch blinzelnden Vinzenz zu, der jetzt mit seiner Müdigkeit ordentlich zu kämpfen hat. Man erkundigt sich: „Und, ist eure Taufe gut verlaufen?“ Dann zeigt eine ältere Dame auf die Erdäpfel und sagt: „Ich hätte gerne wieder von den Guten.“ Sie erntet dafür ein Lächeln von ihrem Gegenüber: „Ich danke Ihnen, das ist Balsam für meine Seele.“

Das Lob ihrer Kundschaft spornt die positiv gestimmte Bäuerin zusätzlich an. Sie braucht das, sagt sie: „Ich bin gerne auf unserem Hof, das Leben mit Tieren verspricht immer viel Abwechslung. Aber auf den Freitag und Samstag freue ich mich, da komme ich unter die Leute.“

Auf ihrem Stand stehen kleine Kartontaferln. Auf diese hat sie mit der Hand den Hinweis „Unbehandelt“ geschrieben. Unbehandelt: ist das das andere, das nicht zertifizierte, das vielleicht sogar ehrlichere Bio?

Ehrliche Arbeit und ein fairer Preis, dieser Zusammenhang ist der Bäuerin aus Wolfpassing in jedem Fall ein Anliegen. Es gibt daher nur ein Thema, bei dem sie kurzfristig aus ihrer inneren Ruhe gerät: „Happel-Salat aus Spanien – im Supermarkt um 70 Cent!“ Kurze Wut-Schnauf-Pause. „Wenn ich so etwas lese, dann will ich gleich gar keinen Salat mehr essen.“

Und dann: „Gut, es freut mich, dass auch unsereiner Bananen, Orangen und Zitronen essen kann. Aber muss es denn das ganze Jahr über Paradeiser geben? Können wir nicht im Winter das eine oder andere Mal unser eigenes Kraut essen?“

Und dann das Aktionshendl beim Diskontmarkt um 2,50 Euro! Das könne doch weder die Tierwelt noch die Menschheit beglücken. So die Bäuerin. „Respekt vor allen Menschen, die knapp bei Kassa sind. Aber wenn ich als Bäuerin mehr fürs Futter der Hendln ausgeben muss als ich für sie beim Fleischhauer bekomme, dann geht sich das irgendwann für mich nicht mehr aus.“ Diese Rechnung stellten übrigens auch schon andere an: „Bei uns in der Orschaft haben fast alle Bauern aufgehört.“

Themenwechsel. Carmen Leiner vertraut auf das, was vor ihrer Haustür gedeiht. Sie ist in einer Gärtnerei aufgewachsen, hat auch die Meisterprüfung in einer Gartenbauschule abgeschlossen. „Doch ich wollte immer auf einem Bauernhof leben und arbeiten.“

Längst ist ihr Vinzenz im Tragetuch eingeschlafen und träumt vielleicht von den großen und kleinen Rindviechern der Eltern. Seine Mutter strahlt indes wieder rundum Zufriedenheit aus, am Ende sagt sie: „Mein großer Traum war es immer, ein Kind zu bekommen und mit einer Landwirtschaft zu beginnen. Ich bin sehr dankbar, dass mein Mann mir das ermöglicht hat.“

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